Fotofestival „horizonte zingst“–
Nutzen für Fotografen oder Fotoindustrie?
Überall laufen Fotografen herum. Meist haben sie Kameras im Anschlag und auch noch einen schweren Rucksack auf dem Rücken. Einige sind sogar mit Stativ ausgerüstet, meist solche mit drei Beinen oder mit der einbeinigen leichteren Variante.
Die Fotografen schauen sehr konzentriert, wie immer auf der Suche nach dem besonderen Augenblick. Wenn es sich nicht gerade um Porträtfotografen handelt, kennt man ja ihr typisches Verhalten als einsamer Jäger auf der Pirsch.
Die Stimmung wirkt aber insgesamt beschwingt und aufgeräumt. Die Veranstalter haben den Ort ja auch mit Hilfe der Fotoindustrie in einen Ausnahmezustand versetzt. Die Seebrücke ist als Zentrum des Geschehens mit vielen Fahnen geschmückt. Gerade als ich die Szene fotografiere, geht die Tauchgondel, die sonst unangefochtene Attraktion für die Touristen, verschämt in die Tiefe.
Das Fotofestival bietet Ausstellungen, Workshops, Multivisionsshows, Wettbewerbe, einen Fotomarkt und abends sogar Beachpartys. Toll!
Ich nutze das reichhaltige Angebot, aber bringt es mich auch weiter?
Ich denke, dass die Gäste fast ausschließlich Amateurfotografen und Semiprofis sind. Vollprofis erkenne ich an dem leichten Gepäck mit einer handlichen Kamera und einem Objektiv. Sie sind aber keine Kunden, sondern als Anbieter für Zeitschriften, Verlage und Fotoindustrie unterwegs. Nur wenn im Rahmen einer Veranstaltung das gesamte Equipment präsentiert werden soll, wird es auch bei ihnen aufwändiger.
Das Wetter spielt mit und unterstützt die gute Stimmung im Veranstaltungszelt an der Seebrücke. Abends wird dort die „Bilderflut in XXL“ auf einer riesigen Leinwand gezeigt. Am Wochenende finden hier die Beachpartys statt.
Im Hotel Vier Jahreszeiten spricht der Schirmherr Walter Schels zur Eröffnung vor zahlreichen Besuchern. Es gibt viele Reden und Ehrungen anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Festivals.
Leitmotiv des Festivals ist die Umwelt, daher auch die Bezeichnung Umweltfotofestival. Passend dazu tritt bei der Eröffnung eine Gruppe aus Grönland auf.
Die Ausstellung der Zeitschrift GEO gefällt mir am besten. Sie zeigt in einer Open-Air-Ausstellung direkt am Strand 36 Fotos in großem Format. Die Fotos der Natur präsentieren sich direkt in der Natur. Und näher am Publikum geht es nicht. Am Strand liegen, die Sonne genießen und zusätzlich eindrucksvolle Bilder ansehen.
Der Wissenschaftsautor und -redakteur Lars Abromeit eröffnet die Ausstellung. Er ruft viele der Expeditionen in unberührten Gegenden, in den Tiefen der Ozeane und der Höhlensysteme ins Leben. Abromeit begleitet die Teams aus Wissenschaftlern und für die jeweiligen Bedingungen spezialisierten Fotografen. Die Fotografen sind bei der Eröffnung nicht anwesend. Sie können ja auch häufig nicht so gut präsentieren. Das nimmt ihnen der Initiator der Reisen zu den selten gewordenen unberührten Gegenden eloquent ab.
An vielen Stellen im Ort werden Bilder im Freien präsentiert, so auch die Ausstellung „Island –Himmelsleuchten und Höllenfeuer“.
In einem rustikaleren Rahmen findet die Eröffnung der Ausstellung „The World we are“ der Young Professionals statt. Die Bierflaschen in der Schubkarre und die teilweise improvisiert wirkende Hängung der Fotos passen gut in die Panzerhalle.
Hochschulen aus Trier, Warschau und Trondheim präsentieren die Experimente der jungen Fotografen. Einige Fotos gefallen mir. Aber die meisten überfordern mich. Ich kann aus den häufig verschwommenen Inhalten und den zufällig wirkenden Formen keine Bildaussagen gewinnen.
Wir war von Freitag, 19.05. bis Mittwoch, 24.05. in Zingst. Die Ostseeküste von Mecklenburg passte gut in unsere Reise von Dresden über Zingst nach Kopenhagen.
Das Fotofestival hat uns sehr gut gefallen. Unterschiedlichste Fotos auf vielen Ausstellungen, voll motivierte Fotografen, zahllose Veranstaltungen, unzählige Workshops, neueste Fototechnik …, und das alles in einem stimmungsvollen Rahmen.
Aber auf der Fähre nach Kopenhagen fragte ich mich mit gewissen Abstand, was mir das Festival konkret gebracht hatte. Für Workshops braucht man nicht den Rahmen eines Festivals. Fotos lassen sich gezielt im Internet recherchieren und bequem am Monitor betrachten. Und die sozialen Medien bietet einem die vielfältigsten Kontakte. Das ist aber nur eine flüchtige virtuelle Welt. Auf so einem Festival ist (fast) alles real. Das ist Fotografie zu Anfassen.
Mir gingen die Hobbyfotografen durch den Kopf, die abends in Reih und Glied am Geländer der Seebrücke hingen, um den abermillionsten Sonnenuntergang abzulichten. Sie wirkten voll konzentriert, aber auch etwas getrieben. Der Abgabezeitpunkt für das Bild des Tages war aber schon vorbei.
Haben nicht doch Fotoindustrie, Verlage, Zeitschriften und Workshop-Trainer letztlich den größeren Nutzen von solch einem Festival? Sind die Amateurfotografen vielleicht vorwiegend das Konsumentenvieh der Anbieter, die die Kunden u. a. mit überdimensionierten Ausrüstungen zuschütten? Und nicht zuletzt profitiert der Urlaubsort Zingt: Nach dem von der Tourismus-Organisation herausgegebenen Pressespiegel besuchten 2016 42.800 Gäste das Festival.
Obwohl mir das Festival gefallen hat, bleibt für mich eine Frage offen: Gibt es eigentlich außer Wettbewerben andere Veranstaltungen von Fotografen für Fotografen ohne kommerzielle Interessen?