Endlich hat mit mal wieder eine Fotoausstellung gefallen –
Martin Parr, Souvenir. A Photographic Journey
Wo gibt es das in München? Am Montag ins Museum, Eintritt frei und dann auch noch verständliche Erläuterungen zu den Fotos. Mit dem Titel „Martin Parr, Souvenir. A Photographic Journey“ zeigt die Versicherungskammer im Kunstfoyer eine vom Fotografen selbst konzipierte Ausstellung. Warum hat mir gerade diese Präsentation so gut gefallen? Liegt es an den Bildern oder an der Art, wie sie gezeigt werden?
Gleich zu Anfang wird man förmlich erschlagen von 270 knallbunten Fotos, die dicht gedrängt an einer Wand hängen. Die Fotos zeigen das Konsumverhalten in den neunziger Jahren auf. Das lieblose Fast Food Essen, die albernen Plüschpantoffeln und der drapierte Pudel wirken herausgelöst aus der normalen Umgebung absurd. Im ersten Moment findet man die Fotos lustig, aber bei näherem Nachdenken wird einem klar, dass dies heute genauso gilt und man selbst Teil dieser Lebensstils ist.
Die Serie Luxury zeigt eine vermeintlich andere Art des Konsums. Hier wird der Reichtum zur Schau gestellt. Besonders gut gefiel mir das Foto einer Dame mit breiter Hutkrempe, auf die sich eine freche Fliege niedergelassen hatte.
Die abgehobene Repräsentation der Dame wird durch eine solche Winzigkeit in die Niederungen der Realität herunter gezogen.
Parr zeigt in acht weiteren Serien die verschiedensten Aspekte gesellschaftlichen Lebens. Etwa 12 Fotos mit gelangweilten Paaren, die sich offensichtlich nichts mehr zu sagen haben. Sie unterhalten sich nicht und starren Löcher in die Luft.
Oder den Wandel des ursprünglich mondänen Badeorts New Brightons zur Sonnenbank für die Arbeiterklasse. Mich beindruckte wieder das bekannte Foto aus dieser Serie „The Last Resort“, das eine Mutter zeigt, die abseits vom Strand einen Sonnenplatz direkt vor einer Baggerraupe gefunden hat. Ihr Handtuch liegt auf rauen Steinplatten. Einen ungemütlicheren Platz kann es für ein Freizeitvergnügen nicht geben.
Doch was bedeutet dieses Bild eigentlich? Parr wurde immer wieder vorgeworfen, er mache sich über die Menschen lustig. Stimmt das? Oder zeigt er etwas auf, um einen Anstoß für Veränderungen zu geben?
Im Gästebuch zur Ausstellung spiegelt sich auch dieser Konflikt wieder. Ein Besucher sieht die Fotos kritisch: Parr hätte einen bösartigen Blick auf die Menschen in ihren eingeschränkten Lebensumständen. Die Bilder seien nicht zeigenswert, da es keinen Anspruch auf Änderung gebe. Die Dekadenz vieler anderer sei nichts Neues. Aber die Fotos seien doch hübsch bunt und teilweise amüsant. Direkt unter diesem Eintrag kommt jemand zu einer anderen Bildaussage: Die Ausstellung zeige einen sehr liebevollen Blick auf die Menschen.
Aus meiner Sicht sind die Fotos legitim und wichtig. Um etwas zu ändern, muss man der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und die Missstände aufzeigen. Das Ganze ist aber ein Eiertanz. Bei Parr beschleicht einen schon das Gefühl, dass er etwas über das Ziel hinausschießt und die Menschen bloßstellt.
Die Ausstellung ist gut gemacht. Die Raumaufteilung und das diffuse Licht fand ich ideal. Insbesondere gefielen mir die verständlichen Erläuterungen zu den Fotos der noch bis zum 20.01.18 laufenden Ausstellung.
Bei vielen anderen Fotoausstellungen hatte ich es aufgegeben, aus den verschwurbelten Erklärungen der Kuratoren einen nachvollziehbaren Bedeutungsinhalt zu ziehen. Ein Beispiel schildere ich im Blogbeitrag „Die Kläranlage war das beste Fotografie-Event“ (zum Beitrag). Aber Parr macht es den Veranstaltern und Besuchern auch leicht. Seine Fotos sind aus dem Leben gegriffen und auch ohne viele Erklärungen verständlich.
Ein englischer Eintrag im Gästebuch gefiel mir in ersten Moment besonders gut: „The best thing after Brexit.“ Da hat jemand die Ausstelung besucht, der den Brextit genauso kritisch sieht wie ich. Doch dann stockte ich. Könnte man die Aussage auch so interpretieren, dass der Besucher den Brexit gut findet und dann erst wieder mit den Fotos von Parr etwas fand, das ihm gefiel?