Warum fotografierst Du?
Als ich vor zehn Jahren anfing zu fotografieren, habe ich mich nicht um die Frage nach dem „Warum“ gekümmert. Ich tat es einfach, weil es Freude machte. Nach einiger Zeit bin ich jedoch in einer fotografischen Sackgasse gelandet: Sind meine Fotos gut? An wen richten sich die Bilder? Wer schaut sich meine Fotos an?
Als Amateurfotograf habe ich zwar im Gegensatz zum auftragsgesteuerten Berufsfotografen alle Freiheiten, aber woher sollen Kritik und Anerkennung kommen? Da mir die Kommentare in den Foto-Communitys zu oberflächlich waren, versuchte ich es mit Wettbewerben. Ich fand insbesondere meine Landschaftsbilder sehr gelungen und beteiligte mich mit ihnen.
Das Feedback überraschte mich. Die Landschaftsbilder wollte keiner aber die vereinzelt als Lückenfüller mitgeschickten Architekturfotos wurden prämiert. Ich brauchte einige Zeit, bis mir klar wurde, dass ich die schönen Landschaften nur so wiedergegeben hatte, wie es Ansichtskarten leisten. Bei den Architekturfotos brachte ich jedoch unbewusst durch Ausschnitt, Farbgebung und Schärfenbereiche bereits eine eigene Sichtweise ein.
Das war einer der Anlässe für mich, meine Motivation zu hinterfragen. Wieso bin ich in diese Sackgasse geraten? Wo will ich eigentlich hin? Welchen Weg schlage ich ein? In vielen Blogs fand ich die Frage: „Warum fotografierst Du?“ Leider gaben die Beiträge nur Teilantworten. Ich beschäftigte mich intensiver mit dem Thema und versuchte, es aus es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachteten.
Herausgekommen ist ein Motivationsprofil, das die unterschiedlichen Beweggründe verdeutlicht. Wie funktioniert es und wie hat es mir bei der Zielbestimmung und Routenplanung geholfen?
In einem Spinnennetzdiagramm stelle ich die signifikanten Beweggründe der Hobbyfotografen dar. Die kreisförmig angeordneten Achsen bilden sechs Ziele ab. Je stärker der Fotograf ein Ziel verfolgt, umso weiter liegt der Punkt außerhalb, bei 100 % auf dem Rand des Netzes. Die Verbindung dieser einzelnen Punkte bildet eine für den jeweiligen Fotografentypus charakteristische Form. So lassen sich die Schwerpunkte von Fotografengruppen mit gemeinsamen Eigenschaften übersichtlich darstellen und miteinander vergleichen.
Die Abbildung zeigt drei typische Motivationsprofile. Der Nachahmer möchte vorwiegend Anerkennung für seine Bilder und schätzt die Gemeinschaft mit Fotointeressierten. Er entwickelt dabei zwar kaum eigene Ideen, kennt sich aber recht gut mit der Technik aus. Für den Technik-Fan ist es sehr wichtig, alle Details der technischen Ausstattungen zu kennen und diese auf dem neuesten Stand zu halten. Er setzt sich häufig intensiver mit einer Motivkategorie auseinander, wobei diese oft, wie zum Beispiel bei der Tropfenfotografie, einen technischen Bezug hat. Der Bildermacher im dargestellten Beispiel kennt die Motivgruppe und möchte die aus seiner Sicht wesentlichen Eigenschaften gezielt wiedergeben. Die Akzeptanz von Betrachtern ist ihm nicht ganz so wichtig und die Technik eher Mittel zum Zweck. In der Abhandlung „Amateurfotografie – nur ein Zeitvertreib?“ sind weitere Informationen enthalten, z. B. eine genauere Beschreibung der einzelnen Ziele (zur Abhandlung).
Wie verwendete ich das Motivationsprofil für meine fotografische Positionierung? Ich hatte vorwiegend Landschaften, Tiere und Gebäude fotografiert. Anscheinend war das kein Zufall. Unbewusst wählte ich die Motivkategorien, an denen ich besonders interessiert bin. Ich bewege mich gerne in der Natur. In den Städten interessieren mich architektonisch interessante Gebäude.
Beim Fotografieren versuche ich, das was mir besonders wichtig ist in der Aufnahme hervorzuheben. Wenn ich die Fotos nach dem Fotografieren am PC betrachte, bin ich häufig enttäuscht, dass diese subjektive Komponente kaum deutlich wird. In meiner Erinnerung sieht das Bild anders aus. Die Kamera hat nur die objektiv vorhandenen Lichtreflektionen eingefangen. Vieles von dem, was ich gesehen habe, fehlt. In der Nachbearbeitung versuche ich, den noch fehlenden Teil meiner Sicht zu ergänzen. Ich freue mich, wenn andere an meinen Bildern teilhaben. Gute Gelegenheiten bieten Wettbewerbe mit der Veröffentlichung der Ergebnisse in Katalogen und Ausstellungen. Außerdem präsentiere ich meine Fotos im Internet.
Von den sechs Achsen des Motivationsprofils sind damit für mich die oberen drei am wichtigsten. Ich habe „reales Interesse an den Motivkategorien“ (4), und nicht nur als Gegenstand der Fotografie. Beim Fotografieren und spätestens bei der Bearbeitung am PC versuche ich meine eigene Sicht einzubringen. Das Diagramm bildet dieses Ziel über die obere Achse „Entfaltung der eigenen Persönlichkeit“ (5) ab. Jeder Betrachter interpretiert ein Foto vor seinem eigenen Erfahrungshintergrund und kommt eventuell zu anderen Bildaussagen als der Fotograf. Ich bin immer wieder überrascht, wie unterschiedlich man ein Foto interpretieren kann. Das Ziel „Wertschätzung der Bilder“ (6) ist für mich zwar wichtig, hat aber nicht die oberste Priorität, da das Foto in erster Linie mir gefallen muss. Die Ziele (1) bis (3) sind mir nicht so wichtig. Damit ergibt sich für mich ein Motivationsprofil, das in dem Spinnennetzdiagramm etwa dem Beispiel „Bildermacher“ entspricht.
Ich habe als Amateurfotograf meine fotografische Heimat in den Motivbereichen Landschaft, Tier, Architektur gefunden. Wenn es mir nicht gelingt, meine eigene Sichtweise mit den gebräuchlichen Methoden in den Fotos auszudrücken, nutze ich Surreal-Darstellungen.
Nachdem ich bei den Wettbewerben mit meinen Landschaften zunächst nicht erfolgreich war, schlug ich verschiedene Wege ein, um meinen Stil zu entwickeln. Einer der Versuche war eine Stadtlandschaft von New York, die ich im Vordergrund mit Bildbearbeitung ergänzt hatte. Um die Wirkung weiter zu steigern, kehrte ich die Farben mit der Bildbearbeitungsfunktion „Color Lookup – Table: ColorNegative“ um.
Das Foto erhielt zwar eine dramatische Wirkung, es gefiel mir aber nicht. Das ist nicht mein Stil.
Das Bild Spargelkraut drückt eher meinen Stil aus. Ich möchte das Wesentliche deutlich herausarbeiten und mich damit auf die inhaltliche Aussage konzentrieren. Die Bilder erhalten dabei einen fast grafischen Charakter und stellen mit einfachen Formen die elementaren Bestandteile dar. Sie werden aber nicht extrem minimalistisch oder abstrakt. Im Kern sind sie gegenständlich aber stark vereinfacht.
Aus meiner Sicht sollten starke Verfremdungen eher wirklichen Künstlern vorbehalten bleiben. Bei Bildern des Präsidenten der Akademie der bildenden Künste in München habe ich Verfremdungen gefunden, bei denen er auch Filmmaterial im Negativ verwendet. Die Wirkung ist ähnlich zum Bild „Fotografen-Falle #2“. So schafft Dieter Rehm mit einer einfachen Methode Kunst, aber das führt zu einem anderes Thema.
Viele Hobbyfotografen wollen als Künstler erscheinen. A. Feininger setzt sich in seinem Buch „Farbfotolehre“ kritisch mit den Amateurfotografen auseinander. Wenn sie vom Privatfotografen in das Amateurlager wechseln, und in der Folge nicht mehr damit zufrieden sind, Bilder von der Familie oder Bildberichte von den Ferien zu machen, sondern sich berufen fühlen, Fotos einer höheren Ordnung herzustellen. Entsprechend der neuen Mission versuchen sie schöpferisch zu arbeiten und verschreiben sich dem Ziel, Kunstwerke zu schaffen.
A. Feiniger gibt einige Beispiele: „Und so geht er hin und beginnt solche langweiligen Bilder zu machen, wie man sie Jahr für Jahr in den Foto-Jahrbüchern und auf den Ausstellungen der Foto-Vereine sieht: Rollen von Tauen, die auf einem Kai liegen; eingeölte Akte in gekünstelten Verdrehungen, …; alte Männer mit Bart; alte Frauen, die Kruzifixe in knorrigen Händen halten; Stilleben mit einem offenen Buch oder einer Bibel, vorzugsweise mit einer daneben stehenden brennenden Kerze; in grobe Leinwand gekleidete Mönche; sommersprossige Jungens, die Äpfel essen; … – alles Bilder ohne jedes Interesse, sinnlos hergestellte fotografische Massenware. (…) Das scheint mir doch eine hoffnungslos unzulängliche Einstellung zur Fotografie zu sein, eine Haltung, die in ihrer Enge den Mangel individuellen Denkens, wie es heute existiert, reflektiert.“ A. Feininger empfiehlt, sich erst einmal darüber klar zu werden, wo die echten eigen Interessen an den Motiven liegen, an diese bewusst heranzugehen, um in der Folge mit persönlichem Engagement ausdrucksvollere Bilder zu gestalten.