In Cornwall gehören Ferngläser zur Hotel-Ausstattung
Diesen Service habe ich noch in keinem Hotel erlebt. Als wir unser Hotelzimmer in Cornwall bezogen, fanden wir auf der Fensterbank ein Fernglas, um die spektakuläre Klippenlandschaft genauer betrachten zu können.
In den letzten zwei Wochen besuchte ich mit meiner Frau Cornwall und die angrenzende Grafschaft Devon im Südwesten von England. Das Fernglas vergrößerte zwar nicht wesentlich stärker als ein Opernglas, wir konnten aber bequem vom Sitzkissen der Fensterbank die Wanderer auf dem „South West Coastal Path“ beobachten. Der ursprünglich als Patrouillenpfad der Küstenwache angelegte Wanderweg führt ca. 1.000 km um die südwestliche Halbinsel von England herum.
Mich beeindruckte die satte grüne Landschaft.Im Nationalpark Exmoor liegt an der Küste das „Valley of the Rocks“. Wir wanderten über einen Rundweg durch das Tal im Landesinnern und über den Coastal Path zurück. Immer wieder boten sich überraschende Ausblicke eingerahmt von bizarren Felsformationen.
Je weiter wir nach Westen fuhren, um so enger wurden die Straßen. Unser kleiner Leihwagen war dafür zwar sehr geeignet, ich musste mich aber sehr darauf konzentrieren, die Ausweichstellen auf den einspurigen Straßen gut zu disponieren. Häufig ging es trotzdem rückwärts zur nächsten Ausweiche.
Gefährlicher ist es an der Küste von Cornwall, die vielen Schiffen zum Verhängnis wurde. In der Nähe des Wanderwegs von Sennen nach Land‘s End, dem westlichsten Punkt von England, fand ich das Wrack von der RMS Mülheim.
Sie geriet im Jahr 2003 auf der Fahrt von Irland nach Deutschland, bei schwerer See in Seenot und zerschellte auf den Klippen. Hunderte Schiffe sind an der englischen Küste im Südwesten untergegangen. Das wurde uns drastisch vor Augen geführt, als wir am Lizard Point, dem südlichsten Punkt von England, Karten als Touristenattraktion sahen, in denen alle Schiffsunglücke genau verzeichnet waren. Für 8 Pfund konnte man die Maps in DIN-A3-Größe erwerben.
Zufällig waren wir zur Zeit des Referendums über die EU-Mitgliedschaft in England. Vor unserer Reise nach England war ich mir sicher, dass sich die Mehrheit für den Verbleib in der EU entscheidet. Ich habe mich immer als die Generation Europa gesehen, die international denkt und lebt. Ein von gemeinsamer Kultur geprägtes Europa sollte aus meiner Sicht ein Gegengewicht zu den allein auf wirtschaftliche Interessen ausgerichteten globalen Kräften schaffen.
Nach der Ankunft in England begann ich zu zweifeln, dass der weltoffene Anteil der Bevölkerung ausreicht. Nicht nur die Straßen wurden auf dem Weg nach Westen enger, sondern auch die massive Wahlwerbung gegen die EU nahm deutlich zu. In vielen Vorgärten stand ein Schild mit der Aufschrift „Vote Leave“. Befürworter der EU fanden wir nur selten. In Brixham outeten sich Teddy Lover. Wie im Foto zu erkennen, plädierten sie mit dem Schild im Fenster für „Vote Leave“.
In Ilfracombe sah ich einen Fischer, der seine Netze reparierte. In der Nähe stand eine neue Halle für Boote und Fischereiausrüstung. An der Mauer ein Schild: Gebaut mit Fördermitteln der EU. Ich hätte den Fischer gern gefragt, wie er beim Referendum abstimmen werde. Nach dem Abstimmungsergebnis vermute ich, dass er gegen die EU gestimmt hat. Die Fördermittel erwartet er dann sicher aus London.
Cornwall erhält aus dem EU-Programm ca. 60 Millionen Pfund im Jahr. Keine andere Region in Großbritannien bekommt so viel Geld von der EU. Cornwall hat mit 56 % eindeutig gegen die EU gestimmt. Unmittelbar nach der Wahl bat die Regionalregierung von Cornwall London um Kompensation.
Schade, dass bei der Volksabstimmung der Geist (?) der Teddy Lover den Ausschlag gegeben hat. Aber wenn ich jetzt das gute Fotomaterial aus Cornwall nutze, muss ich mich ja nicht weiter um Politik kümmern.