Einsatz von Stock-Bildern in freien Fotoprojekten –
der schnellere Weg zur gewünschten Bildaussage (2)

03.09.2018     Kommentare geschlossen

Im letzten Beitrag hatte ich beschrieben, wie ich das gewünschte Bild skizzierte und im Adobe-Stock ein Löwenbild aussuchte. Als nächstes muss ich einen passenden Kontrahenten finden. Schreiende Männer gibt es anscheinend genügend. Ich finde nach relativ kurzer Zeit mehr als 10 Exemplare. Ich nehme einen mit sehr starkem Kontrast vor dunklem Hintergrund.

Schreiender Mann©eyeQ - stock.adobe.com

Schreiender Mann
©eyeQ – stock.adobe.com

Für den Hintergrund will ich ein eigenes Foto verwenden. Beim anschließenden Entwurf erlebe ich einige Überraschungen.

Beschwörung

Beschwörung

Es fehlt also nur noch der dramatische Himmel. Für meine Montagen habe ich viele Wolkenfotos gesammelt. Ich nehme den Hintergrund eines Bildes, für das ich zwei Wolkenfotos zusammengebastelt hatte. Den unteren Teil fotografierte ich in Marokko und der obere bot sich mir ganz bequem vor dem Studiofenster an.

Ich scanne die Skizze ein und bastele mir mit den Vorschaubildern einen Entwurf. Adobe-Stock bietet die Vorschauen kostenlos an. Das finde ich sehr praktisch, da sich manchmal erst nach dem Entwurf zeigt, dass ein Stock-Foto doch nicht geeignet ist. Man kann also mit verschiedenen Previews ausprobieren, ob das Material verwendbar ist.

Entwurf; Fotos: ©Eric Issele -, ©eyeQ - stock.adobe.com; L.Wiese; Montage: L.Wiese

Entwurf; Fotos: ©Eric Issele -, ©eyeQ – stock.adobe.com; L.Wiese; Montage: L.Wiese

Mein Entwurf zeigt, dass beide Fotos einigermaßen zusammenpassen. Aber wie fast immer bei Montagen sehe ich viel Arbeit auf mich zukommen. Die beiden sollen sich ja tief in die Augen schauen. Außerdem muss das Größenverhältnis stimmen. Diese Bedingungen führen nach der Transformation dazu, dass bei der Mähne des stattlichen Löwen und beim T-Shirt des furchtlosen Mannes Stücke fehlen. Die Ergänzung der fehlenden Teile schreckt mich weniger. Schließlich bietet Photoshop komfortable Werkzeuge, mit denen ich die Kontrahenten recht flott vervollständigen kann.

Doch es gibt leider ein sehr viel aufwändigeres Problem. Die Perspektive des Löwen passt nicht. Er schaut rechts an dem Mann vorbei. Das war mir bei der Suche im Adobe-Stock gar nicht aufgefallen. Soll ich einen anderen Löwen wählen oder die Perspektive anpassen? Ich entschließe mich dazu, die Blickrichtung des Löwen zu korrigieren. Die rechte Hälfte des Mauls werde ich mehr nach vorn ziehen und den Abstand der Zähne reduzieren. Eine mühselige Arbeit aber eigentlich male ich ja gerne mit Pixeln.

Was ist mit dem Licht? Den Löwen umgibt ein eher diffuses Licht und der Mann ist einer brutalen Lichtquelle ausgesetzt. Ich werde dem Löwen mehr Licht und Schatten verordnen, beim Mann muss ich die harten Kontraste dämpfen. Das ist auch keine leichte Übung. Die Farbtemperatur werde ich bei beiden abkühlen, um einen spannendere Stimmung zu schaffen.

Und dann gibt es noch ein Problem, mit dem ich bei meinen ersten Montagen sehr zu kämpfen hatte. Der Löwe wurde vor hellem Hintergrund fotografiert. In der Montage präsentiert der Löwe seinen Kopf aber überwiegend vor sehr dunklen Wolken. Wie man bereits im Entwurf erkennen kann, scheint an den Haarrändern die ursprüngliche weiße Hintergrundfarbe durch. Photoshop bietet mittlerweile sehr viele Werkzeuge, um diese Freisteller-Blitze zu beseitigen, z. B. die Funktionen „Kante verbessern“ bzw. „Auswählen und Maskieren“ mit der Option „Farben dekontaminieren“. Häufig funktionieren diese Hilfsmittel überraschend gut. In vielen Fällen muss ich jedoch manuell nacharbeiten. Ich arbeite dann meist mit einer Schnittebene über der Motivebene und übermale die blitzenden Kanten mit benachbarten Farben. Wenn ich beim Freistellen zu großzügig war und die verbliebenen Haare unnatürlich wirken, male ich an den kritischen Stellen einzelne Haare mit dem Pinsel.

Der Hintergrund macht mir wenig Arbeit. Um die geheimnisvolle Lichtquelle zu unterstützen, dunkle ich die Ränder ab und helle das Zentrum auf. Die Abdunklung übertreibe ich etwas in der Nähe des T-Shirts, damit meine händische Erweiterung nicht auffällt.
Die letzten Korrekturen mache ich wie üblich nach dem Ausdruck. Bei den gedruckten Bildern fallen mir regelmäßig einige Fehler auf, die ich am Monitor nicht gesehen habe.

Im nächsten Beitrag geht es um die Frage, ob sich der Einsatz von Stock-Fotos für mich gelohnt hat und ob dieses Vorgehen bei freien Fotoprojekten überhaupt legitim ist (zum Beitrag).